Leseproben

Das Amulett des Sarazenen

I.
TUNIS, Mai 1530

Nicolas de Monterrey stand auf dem Achterdeck der »Aguila«
und starrte teilnahmslos in die dunkle Nacht. Immer noch roch
es auf dem Schiff nach Blut, Schweiß und abgestandenem Urin.
Immer noch mussten Leichen ins Meer geworfen werden. Ein
Heer schwarzer Sicheln durchpflügte das im Mondschein silbern
glitzernde Wasser und folgte ihnen beharrlich.
Soeben hatten sie Gaston über die Reling gekippt. Ihm war
im Kampf eine Hand abgeschlagen worden und dann, bereits im
Delirium, hatte Amin unter seinem Arm einen dunklen Knoten
entdeckt. »Mitunter dringt das Gift überallhin, Marqués. Wie
Ihr wisst, setzt bei dem Knoten der Brand ein. Man müsste ihm
Blutegel ansetzen, die wir nicht haben. Anderenfalls …«
»Na’am.« Er wusste, was andernfalls wäre. Verdammt! Ein
Freiflug zu den Haien wäre noch das Beste für ihn. Der Kerl
hatte seiner Meinung nach ohnehin keine Chance, so oder so.
Aber dann sagte Amin: »Bis wir in Tunis sind und einen Arzt
finden, der die Fäulnis heilen kann, wird sein Arm schwarz wie
Seemannspech sein und so stinken, dass ihn seine eigenen Kumpels
über Bord werfen.«
Eben. Warum nicht gleich? Er schielte zu Gaston. Amin starrte
ihn in einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit an.
»Also amputieren.«
Amin nickte. »So schnell wie möglich.«
Er selbst hatte sein Schwert gezogen und den Armstumpf unterhalb
des Schultergelenks vom Körper getrennt. Gaston aber
war aus seiner Bewusstlosigkeit nicht mehr erwacht …

Und immer noch fanden die Männer Wein und Rum und feierten
ohne Ende.
Die hünenhafte Gestalt des Freundes bemerkte Nicolas erst,
als sie sich aus dem Schatten löste und auf ihn zutrat. »Reizend,
dass einer mich ablösen kommt!«
»Find ich auch.« Erik rülpste. »Schiebst du heute Nacht
Wache, Partner?«
»Nein, aber du.«
»Ho, ho!« In den hellen Augen blitzte der Schalk. »Was lässt
dich hoffen?«
»Oh, es gibt ernsthafte Hinweise!« Ein breites Lächeln zog
Nicolas’ gut geschnittene Lippen auseinander. »Ich steh mir
nämlich schon lange genug die Beine in den Bauch, mon ami.«
»Hm«, nickte Erik, »ein Problem.« Dann brach er in schallendes
Gelächter aus. »Im Prinzip spricht nichts gegen einen
gemütlichen Stuhl an Deck.«
Nicolas warf dem Freund einen unheilschwangeren Blick zu.
»Schön, aber auch mit dem verdammten Stuhl will ich hier
nicht überwintern!«
»Nein?« Erik grinste. »Dann muss ich wohl übernehmen,
schätze ich. Du weißt ja, wo ich den Winter über sein werde!«
Der mächtige Lockenkopf wackelte, und die blauen Augen
rollten. So eindeutig, dass Nicolas launisch brummte: »Auf deiner
Frau vermutlich.«
»Das will ich meinen, Mann!«, rief Erik vergnügt. »Und nun
werd ich einen halbwegs gemütlichen Stuhl suchen.«
Als es sich der Ire auf diese Weise bequem gemacht hatte,
verließ Nicolas kopfschüttelnd das Achterdeck. Die knarrende
schmale Treppe zu seiner Kajüte hinabsteigend, ließ er den
Kampf Revue passieren. Das Gemetzel mit den königlichen Soldaten
war erbittert und langwierig gewesen und der Blutzoll
hoch. Für Moctezumas Gold hatten sie einen hohen Preis bezahlt.
Und dennoch. Niemand da unten bereute es, nicht einmal
die Verwundeten. Ein kurzes Lächeln huschte über seine Züge
und erinnerte ihn schmerzhaft an die frische Wunde in seinem
Gesicht.

 

 

Nicolas lag auf dem Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt,
und betrachtete Ngoomi. Ihre schwarze Haut glänzte
im flackernden Licht mehrerer Öllämpchen. Wenn sie mit dem
Sprechen, das sich bisweilen wie ein Gurren ausnahm, innehielt,
war nur das Zischen der Dochte in ihrem Mandelölbad zu hören.
Er liebte es, die Schwarze beim Liebesspiel zu beobachten.
Welche Körperöffnungen sich bei ihr auch auftaten, sie blitzten
rosa, und selbst die Hand- und Fußsohlen leuchteten hell inmitten
von Ebenholzschwarz. Ngoomi rollte die weißen Augäpfel
und begann, sich leicht in den Hüften zu wiegen. Sie saß aufgepfählt
auf Nicolas’ Lanze, die langen Beine angewinkelt neben
seinem Körper. In den Händen hielt sie eine kleine Trommel,
ein kurzes Stück ausgehöhlten Baumstammes mit darüber
gespannten Häuten, auf die sie in eigentümlichem langsamem
Rhythmus schlug.
Eine Zeit lang tat sie nichts weiter als das, ließ ihre Trommel
sprechen und entführte Nicolas in die Grassteppen Afrikas, die
ihr Volk in uralter Zeit bewohnte. Nach einer Weile begann sie
zu summen und mit ihrem Becken zu kreisen. Der tief gestimmten
Trommel entlockte sie wundersame Klänge, und die Steinchen,
mit denen ihr Rand besetzt war, fügten eine Vielzahl
schnarrender Töne hinzu. Das Erregendste an ihrem Trommeln
war aber der Rhythmus, ein Rhythmus, der Nicolas mehr
als alles andere unter die Haut ging.
Ngoomis Summen wechselte über zu leisem Singen, wobei
sie gleichzeitig das Tempo ihrer kreisenden Bewegungen steigerte.
Immer stärker geriet sein Blut in Wallung.

...

Für die nächsten Wochen mietete er das gesamte
Bordell. Eine entsprechende Summe überzeugte die Herrin
des Hauses, die gegenwärtigen Gäste noch am selben Tag zur
Abreise zu überreden.
Auf Luisinhas schwachen Protest hin, wie er sich ein solches
Vorgehen bei ihren langjährigen oder honorigen Kunden vorstelle,
bemerkte der vermeintliche Araber lediglich süffisant:
»Ich bin mir sicher, dass dir was einfallen wird, chata.«
Zu fortgeschrittener Stunde, nach einem Imbiss und einem
Bad, sprach Nicolas sie darauf an. »Wie ich vom Fenster aus beobachten
konnte, muss dir was sehr Treffendes eingefallen sein.
Die stürzten beinahe fluchtartig aus deiner Liebesburg …«
»Hm«, Luisinha drehte eine dunkle Haarlocke und wippte
aufreizend mit einem Bein. Sie lag auf einen Ellbogen gestützt
unter einem seidenen Laken auf dem Bauch und streckte ihren
Unterschenkel unter dem Tuch hervor. »Unter verlegenem Fächeln
gestand ich jedem einzelnen der Herren, dass bei einem
der Mädchen ernste Anzeichen für die Beulenpest festgestellt
wurden.«
»Verlegenem Fächeln? Wie willst du das angestellt haben?«
Mit einem Schwung rollte Nicolas die Kokotte auf den Rücken
und spreizte ihre Beine. »Warst du je in deinem Leben verlegen?
«
»O Senhor!«, protestierte Luisinha überzeugend. »Auch ich
war mal jung und unschuldig – wenn das auch schon eine Zeit
lang her ist. Ich wurde nicht als Dirne geboren.«
»Nein?« Er beugte den Kopf hinab zu jener Stelle, wo üblicherweise
fein gekräuseltes Haar ein Dreieck bildete. Genüsslich
tauchte er seine Zunge in die Spalte zwischen ihren fleischigen,
glatt rasierten Schamlippen.
»Nein!«, gluckste sie. »Die Männer haben mich dazu gemacht!
« Luisinha stöhnte.
Nicolas hob den Kopf. »So was.« Seine Zunge glitt über das
geschwollene Fleisch. Dann ließ er sie über ihrem empfindlichsten
Punkt tanzen.
»O Gott …!«
»Nicht ganz. Aber wenn du meinst …«
Als er wieder auftauchte, legte sich ein betörendes Lächeln
um seine Mundwinkel. »Ich vergaß, im Alter werden die Huren
heilig.« Allerdings dürfte die so scharf und unersättlich sein wie
ehedem. Er sah in das reife, immer noch anziehende Gesicht.
Die rassige Frau war wirklich nicht mehr jung.
Luisinha spreizte die Beine weiter, ihre Schenkel spannten
sich an und hoben ihm ihr Becken entgegen. Unter halbgeschlossenen
Lidern warf sie ihm glutvolle Blicke zu, während
ihre rosige Zungenspitze aufreizend über ihre Oberlippe züngelte.
Kurz leckte und saugte sie an ihrem Mittelfinger, bevor sie
ihn zwischen die geschwollenen Schamlippen setzte und langsam
ihre Spalte auf und ab fuhr. Dann verharrte ihr Finger am
oberen Punkt in kleinen, rotierenden Bewegungen. Ihre zweite
Hand glitt zu schwarzen Brustwarzen inmitten ausladender
Höfe und begann, abwechselnd mit ihnen zu spielen. Luisinhas
Atem ging schneller.
Eine Weile sah ihr Nicolas, von ihrem Spiel gefangen, zu.
»Komm!«, raunte er kehlig und griff in ihre dichte Mähne. Seine
Beine gegrätscht, hockte er sich über die Brust der Frau, hob
ihren Kopf an und schob ihr seine Lanze in den Mund. Erfahrene
Lippen schlossen sich um den Schaft und begannen zu saugen.
Immer schneller, immer brutaler stieß er zu, drang ihr bis
in die Kehle. Er bäumte sich auf und ergoss sich unter Zuckungen
und Stöhnen. Luisinha wandte sich ab, spuckte die sämige
Flüssigkeit aus und lachte. Bei vielen Kunden war es weitaus
mühsamer …

...

 

 

»Ich sage dir«, polterte er, beschwörend seine mit Fett übergossenen
und auf dem Feuerrost angesengten Hände ringend,
»vor Gott sind alle gleich, egal ob König, Kaiser oder Bettelmann.
Aber nur vor Gott, nicht vor der Kirche und dem Gericht!«

Alles kam so, wie die Alte es vorausgesagt hatte. Gonzalo erschien
ein paar Tage darauf im Verlies und schloss Juana die
Fußschelle auf. Ein Scherge wartete vor der Tür. Gemeinsam
zerrten sie die Gefangene einen von wenigen Fackeln gespenstisch
erleuchteten, gewinkelten Gang entlang, der in einem anderen
Kellertrakt des weitläufig untermauerten Gebäudes endete.
Die großen dunklen Steine des modrig riechenden Ganges
glänzten im flackernden Licht der Fackeln, die lange Schatten
warfen. »Todesgang« wurde er von den Gefangenen genannt
und »Kreuzweg Christi« von den Wärtern. Kein Laut drang
von dort jemals nach oben. Wer unter der Folter starb, hieß es,
dem habe der Teufel den Hals umgedreht.
Am Ende des Ganges gab es nur eine einzige Tür und eine
schmale, in Stein gehauene Spindeltreppe, die nach oben führte.
Der Scherge öffnete die schwere Tür und schloss sie hinter
Gonzalo und der Gefangenen. Der Verlieswärter war jung und
kräftig und hatte einen eisernen Griff. Sich zur Wehr zu setzen
wäre sinnlos gewesen. Juana ließ ihren Blick schweifen. In der
Mitte des von vielen Fackeln gut erhellten Raumes stand ein
nicht allzu hoher massiver Tisch, aber es gab keine Stühle darum
herum. An einer Wand entlang lief eine durchgehende
Bank, und in der Mitte lag ein samtenes Sitzkissen darauf. Sonst
war der Raum nüchtern und leer. Ganz anders jedoch das angrenzende
hohe Kellergewölbe, das durch eine breite bogenförmige
Öffnung mit dem Raum verbunden war. Wenige Stufen
führten in das Gelass hinab, in dem in einem ausladenden Kamin
ein mächtiges Feuer brannte.
Selbst das Feuer, das ich so liebe, dachte Juana, flackert böse
und bedrohlich.

Sämtliche an den dunklen Wänden hängende Instrumente
und Werkzeuge tauchte es in ein infernalisches rotes
Licht. Ein Blick auf die gusseisernen Geräte, und Juanas
Knie wurden weich. Gonzalo fing sie auf. Sie wusste nicht, wie
lange sie von Entsetzen wie gelähmt war, bis nach und nach ihre
Gedanken wieder klar wurden. Da tauchte aus der Tiefe des Gewölbes
eine Gestalt auf, und einen Augenblick später stand der
Scharfrichter in der bogenförmigen Öffnung und grinste sie an.
Oh, dada!, flehte Juana, Oh, meine Brüder! Der halb nackte,
über und über behaarte Mann versetzte sie endgültig in Panik.
Warum kommt denn keiner? Heilige Göttin, sie werden nicht
kommen, niemand wird kommen … Und dieses Tier da weidet
sich an meinem Entsetzen, an meiner Angst, an meinem Grauen!
Oh, dada, ich sterbe vor Angst! Manchmal, kam ihr plötzlich
in den Sinn, wenn die Angst zu überwältigend war, erschraken
sich manche Tiere zu Tode …
Genüsslich und in Vorfreude auf das Kommende fuhr sich
der Mann mit der Zunge über die Lippen und fasste sich zwischen
die muskulösen Beine. Gonzalo, der sie immer noch mit
eisernem Griff festhielt, schmatzte und sabberte, und ekliger
Speichel rann aus seinem Mund auf ihr Haar.
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Fray Jerónimo
Perdomo betrat den Raum, gefolgt von einem Kirchenmann in
weißschwarzer Robe. Juana atmete auf, der Dicke sah harmlos
aus. Da sie nie die Messe besucht hatte, kannte sie den Mann
nicht, den man mit großem Respekt behandelte. Er nahm umgehend
auf dem Samtkissen Platz und bedeutete mit einer knappen
Geste, anzufangen.
Juana stutzte. Der ist nicht zum ersten Mal hier unten, schoss
es ihr durch den Kopf. Sie sollte nie erfahren, dass es sich bei
dem korpulenten Geistlichen um Don Benito de los Montes,
den ehrwürdigen Bischof von Granada, handelte.
Kaum waren Juana vom Scharfrichter die Handfesseln abgenommen,
forderte man sie auf, sich zu entkleiden. Ungeachtet
ihrer Angst entging ihr keineswegs, mit welch lüsternen Blicken
die vier sie anstarrten, allen voran der ehrenwerte Kirchenmann.

Als sie nicht sofort Anstalten machte, der Aufforderung nachzukommen,
riss der Scharfrichter sie an den Haaren, bis es
schmerzte. Dabei hielt er ihren Haarschopf im Nacken gepackt
und zog unaufhörlich höher, bis sie mit zitternden Fingern zunächst
das Band ihrer Bluse öffnete. Der Scharfrichter ließ ihre
Haare los, und Juana hielt in ihren Bewegungen inne. Sie war
wie gelähmt. Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können,
dachte sie nur noch an die Worte der Alten. Dennoch bemerkte
sie, wie der Geistliche ungeduldig wurde und dem Mönch etwas
zuflüsterte.
Fray Jerónimo näherte sich der Frau. Mit belegter Stimme, in
der ganz offenkundig höchste Erregung mitschwang, beschwor
er sie: »Juana, einen kleinen Beweis für deine Reue und deinen
Wunsch, mit der Justiz zusammenzuarbeiten!«
»Justiz, ha! Wo ist hier eine Justiz, ein Richter?«, platzte es
aus ihr heraus. Sie achtete nicht auf die Wahl ihrer Worte. »Ich
sehe nur vier geile Böcke, die sich an meinem Körper weiden
und es nicht erwarten können, über mich herzufallen!«
Weder den Bischof noch den Inquisitor kümmerte ihre
Schimpftirade. Im Gegenteil. Der Mönch kratzte sich genüsslich,
und der Geistliche leckte sich andauernd mit der Zunge
über die Lippen. Dabei starrte er auf ihre festen Brüste, die auf
und ab hüpften, während sie sich dem Griff des Scharfrichters
zu entziehen versuchte. Er liebte diese Art Vorspiel, darum
winkte er ab, als Fray Jerónimo anbot, die Furie zu »besänftigen
«. In ihrer von der Angst entfesselten Wildheit glich sie einer,
wie er fand, betörend teuflischen Rachegöttin. War das
nicht ein Grund mehr, sie zu bestrafen? Schließlich musste alles
Teuflische ausgetrieben werden.
»Seht nur, meine frommen Brüder«, das runde Gesicht des
Bischofs strahlte, »nur Satan, mit dem sie sich vermählt hat, verleiht
ihr diese Kräfte!«
Gonzalo rieb sich die feuchten Hände und verschlang die Zigeunerin
mit lüsternen Blicken. Als sie zu einer neuerlichen Tirade ansetzte,
legte ihr der Scharfrichter, beide Arme auf dem
Rücken festklemmend, seine schwielige Hand auf den Mund.

Nicht fest genug, denn blitzschnell biss sie ihm in die Handfläche.
»Beschissene Christenschweine!«
Der Mann fluchte und bog ihre Arme so streng nach hinten,
dass sie auszukegeln drohten. Dennoch trat Juana blindwütig
nach Gonzalo, der nun ihren Rock nach unten zog.
Dem Bischof gefiel das Spektakel, obwohl er es vorzog, wenn
die Frauen sich selbst entkleideten. Anerkennend nickte er dem
Mönch zu, die Stielaugen nicht von der Gefangenen wendend.
Auch Fray Jerónimo war inzwischen derart erregt, dass ihm
Schweißperlen auf der Stirn standen. Er kratzte sich unentwegt.
Gonzalo wiederum rann der Speichel nur so aus den Mundwinkeln.
Während er Juanas nackte Haut betastete, vergaß er sogar,
sich zu bekreuzigen. Nur der Scharfrichter nahm ungerührt die
schwielige Hand von ihrem Mund und fasste grob nach einer
Brust. Ihr nackter Körper zuckte und bebte immer noch unter
ihrem Widerstand.
»Hurensöhne!« Sie spie die Worte regelrecht aus. »Scheinheilige
Huren…!« Wieder fühlte sie die harte Hand, nur diesmal
fester.
Ein verräterisches Zucken um Ehrwürdens rechten Mundwinkel
verriet sein Missfallen und veranlasste den Scharfrichter,
Gonzalo nach dem Knebel zu schicken. Der Henker war der
Abgebrühteste in der Runde und dennoch … das feste Fleisch,
die glatte Haut, das war vom Feinsten. Nun, er würde auf seine
Kosten kommen, wie immer.
Der Henker und sein Knecht hoben die immer noch protestierende
Frau flach auf den Tisch und banden ihre Handgelenke in
dafür vorgesehene Schlaufen. Während der eine ihre Füße festhielt,
schraubte der andere Beinstützen an die Platte, auf denen
die Beine straff festgebunden wurden: abgewinkelt und so weit
gespreizt, wie es ihre Hüften erlaubten. Schließlich konnte Juana
nur noch den Kopf frei bewegen. Ungeschützt und nackt war
ihr intimster Körperteil allen Blicken preisgegeben. Aber noch
schlimmer als die Scham war ihre Angst.

Wie gelähmt starrte sie zur Decke.
Wieder und wieder fragte sie sich: Was kommt danach?
Dann wurde ein Keil aus der Tischplatte entfernt, der sich
genau zwischen ihren Beinen befand. Der Spalt in der Platte
setzte sich auch unter ihrem Gesäß fort, sodass sie nur bis zum
Kreuzbein auf dem Tisch auflag. Alles fein säuberlich durchdacht,
bemerkte sie trotz ihrer Angst. Wie viele mochten hier
schon geschändet worden sein?
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den unterdessen aufgestandenen
Geistlichen, wie er sich nervös die Hände rieb. Bedächtig
näherte er sich dem Tisch. Diese Hilflosigkeit machte
sie noch verrückt! Wieder dachte sie an die Worte der Alten. Als
sie den starren, auf ihre Scham gehefteten Blick des alten Fettsacks
sah, mit dem er sie förmlich durchbohrte, schwitzte sie
Blut und Wasser. Bitte, flehte sie, lass es bald vorüber sein!
Don Benito schenkte der wild an den Fesseln zerrenden Frau
keinerlei Beachtung. Er starrte so gebannt zwischen ihre Beine,
dass man hätte meinen müssen, er sehe zum ersten Mal eine
nackte Frau. Auch Fray Jerónimo, der bescheiden hinter Ehrwürden
stand, schien ihre Weiblichkeit mit den Augen zu verschlingen.
Da schnippten jäh die über und über mit Ringen geschmückten
Finger. Der Scharfrichter entfernte sich und kehrte
mit einer kleinen, äußerst scharf geschliffenen Klinge zurück,
die er dem Würdenträger reichte.
Juanas Herz raste, Schauer kalten Schweißes jagten über ihren
Rücken. Wie eine würgende Schlinge legte sich die Angst
um ihre Kehle, drohte sie zu ersticken. Mit seinen gichtigen, von
den schweren Ringen gespreizten Fingern nahm er ungeschickt
die Klinge auf und setzte sie am Haaransatz auf die Haut. Obwohl
er umständlich ans Werk ging, schien er Übung darin zu
haben. Juana schloss die Augen und wartete auf den Schmerz. In
ihrer Angst und Panik, zitternd und bebend nahm sie nicht wahr,
was der Bischof tat. Erst als sie ihn sagen hörte: »Wasch die Haare
ab«, bemerkte sie, dass das Rupfen und Zupfen an den Schamhaaren
aufgehört hatte. Gleich darauf spürte sie kaltes Wasser.

 

 

Tagomago (AT)

1. Tagomago, August 1534

„Es ist bald vorbei“, murmelte Juana und richtete sich auf.
Schweiß rann über Gundes Gesicht, lief den Hals hinab und verlor sich zwischen rosigen, fleischigen Brüsten. Ihre feuchte Haut glänzte im Schein mehrerer, in einem Kreis um die beiden Frauen aufgestellten Öllampen. Gunde saß auf zwei Stühlen, eigentlich zwischen den beiden Stühlen, das Gesäß frei, die Oberschenkel auf je einer hölzernen Sitzfläche. Von Zeit zu Zeit tauchte die Hebamme einen Lappen ins kalte Wasser der tönernen Alcarraza, wrang ihn aus und wischte der Kreißenden den Schweiß von der Stirn.
Die nächste Wehe rollte heran und schwoll zu bedrohlicher Intensität an.
„Mi madre!“, fluchte Gunde und stützte sich auf ihre festen Schenkel, das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Kein weiterer Ton kam über ihre Lippen. Als die Wehe abebbte, ätzte sie: „Dass ... dass mir der Lump nicht unter die Augen kommt!“ Sie meinte Erik. Vermutlich.
Juana reichte der Irin eine Schale mit lauwarmem Kräutersud, eine Mischung aus Zimt, Verbenenkraut und Nelken, welche die Geburt flott in Gang halten sollte. Die Frauen aus ihrem Volk tranken Sifrit in ihrer schwersten Stunde, dachte sie und ein Anflug von Schwermut legte sich um ihr Herz. Sifrit, das berauschte und die Schmerzen linderte...
Ihre mit Murmeltierschmalz eingefettete Hand sorgte für einen geschmeidigen Geburtsweg und dafür, dass die Wehen in rascher Folge kamen. So dauerte es auch nicht lange und die Presswehen setzten ein.
„Los!“, zischte Gunde. „Bringen wir's hinter uns!“ Es klang wie eine Kampfansage.   
Juana beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Blond. Furchtlos. Zu allem entschlossen. Die Irin warf ihren dicken Zopf auf den Rücken und schnappte nach Luft. Ihr breites Gesicht schwoll an, Nacken und Schultern versteiften sich, ihr Atem rasselte. Gunde presste aus Leibeskräften, und die waren nicht ohne. Ihr Anblick hätte genügt, jeden Feind in die Flucht zu schlagen.
Juana kniete sich auf den Boden und tastete zwischen den fleischigen Schenkeln nach oben. Entschieden schüttelte sie den Kopf. „Du musst anders pressen“, drängte sie.  „Versuch es mehrmals in kurzen Stößen.“
„Himmel!“, keuchte Gunde und ihre hellblauen Augen sprühten Funken. Schweiß tropfte auf den Boden und mischte sich zwischen ihren Beinen mit Fruchtwasser und Blut. „Ich mach das doch nicht zum ersten Mal!“ Energisch richtete sie sich auf. Ihr nackter Fußballen klopfte auf den kalten Steinboden. Plötzlich erbrach sie. Schwallartig.
Juana riss das Laken vom Bett, um das Gröbste aufzufangen. „Ausgezeichnet!“, rief sie erfreut, obwohl das in reichlich Wein ertränkte Kräuterhähnchen vom Abend mit einem unerfreulichen Klatschen auf dem Boden landete.
Gunde warf ihr einen kurzen, verwirrten Blick zu. Aus ihrem offenen Mund tropfte Basilikumsoße. „Juana, du bist furchtbar!“, schnaubte sie, nahm den nassen Lappen entgegen und wischte sich über Hals und Gesicht.
„Nein ehrlich, ein gutes Zeichen.“ Juanas Lächeln war so entwaffnend, dass Gunde unwillkürlich zurücklächelte. Bis sie an sich hinunter sah.
Das Hausfrauenauge wanderte über das basilikumgrüne Laken, die botanisch dekorierten Öllämpchen und die grün gesprenkelten Plüschpantoffeln. „Du meine Güte!“, stöhnte sie.
Gunde war nicht zimperlich, aber pingelig. Schon beugte sie sich gefährlich vornüber, um die Spuren der Basilikumsoße bis unter das Bett zu verfolgen. Glücklicherweise setzte hier die nächste Wehe ein und die drohende Tirade gälischer Kraftausdrücke erstarb auf ihren Lippen.
„Ach was“, beschwichtigte Juana und machte sich rasch daran, die Reste des Abendessens einzusammeln.
Eine neue Wehe kündigte sich an. „Hol weniger Luft“, riet Juana.
Gunde nickte. Im Schein der kleinen Flammen funkelten ihre Augen kampflustig. Die gälischen Verwünschungen, zu denen sie wieder ansetzte, endeten abrupt und gingen über in einen gepressten Summton. Langsam erschien das Köpfchen, dehnte die Scheide auf und drängte die geschwollenen, fleischroten Schamlippen auseinander. Gundes Kehle entrang sich ein gutturaler Laut. Sie beugte sich vornüber, bis sie drohte, von den Stühlen zu kippen.
„Mach langsam, Gunde“, mahnte Juana, während sie die Finger einer Hand bremsend auf das feuchte, blonde Kopfhaar des Kindes legte.
Gunde atmete hastig, stoßweise. Sie  presste neuerlich und Juana sah die faltige Nackenhaut des Kindes. Langsam schob sich der gewaltige Kopf aus ihrem Leib. Dann rutschte das Kinn des Kindes über den Damm und der Kopf drehte sich. Gott sei Dank, seufzte Juana erleichtert, zumindest machte das Kind keine Schwierigkeiten!
„Der Kopf ist da“, sagte sie zu Gunde, die sich daraufhin etwas entspannte.
Bald holte die Irin wieder Luft, verzog das Gesicht und presste erneut. Kleine, runde Schultern kamen zum Vorschein, dann schlüpfte der Körper ganz heraus, begleitet von Gundes durchdringendem, lautem Schrei.
„Es ist wieder ein Junge!“, lachte Juana. „Und was für ein Pfundskerl, dein ...“
„Samuel“, keuchte Gunde.
„Samuel, stimmt.“ Juana wischte dem Neugeborenen Schleim und Blut aus dem Mund, rubbelte mit den Händen über seine kräftige Brust, bis er protestierte, und gab ihn dann in Gundes Arme.
Im Nu wich der erschöpfte Ausdruck im rosigen Gesicht der Irin einem seligen Lächeln. „Kommst gerade recht, mein Liebling“, murmelte sie mit sanfter Stimme, “zu unserem Fest der vier alten Jahreszeiten”. Wie Juana es mit ihr besprochen hatte, legte sie das Kind sofort an die Brust. Gunde grunzte zufrieden, als es die Warze fand und zu saugen begann.
Welche Eintracht und Harmonie, dachte Juana, die das Bild der beiden nicht unberührt ließ. Nicht, dass sie Gunde dieses Glück geneidet hätte. Aber ein kleiner, unmerklicher Stich in der Brust sagte ihr deutlich, dass Zigeunerinnen in ihrem Alter meist schon eine Handvoll Kinder hatten. Dennoch würde sie den Möhrensamen weiternehmen und sich dem Marqués so oft wie möglich entziehen. „Das Fest der alten Jahreszeiten?“, fragte sie, um die Gedanken zu verdrängen.
Gunde nickte, wobei sie ihren Oberkörper monoton vor und zurück wiegte. „Ja. Anfang August ist für uns Kelten Lugnasad, Herbstbeginn. Da sind die Geister frei und können alles Mögliche tun – Gutes oder Böses, je nachdem. Schamanen, Druiden und Zauberer feiern immer noch die alten Sonnen- und Mondfeste.“
Auch wir haben solche Feste, dachte Juana und hockte sich auf den Boden. Während sie unverwandt die Nabelschnur beobachtete, schweiften ihre Gedanken zu den Zeremonien der Sommersonnenwende und Tagundnachtgleiche bei den Calé, den Kalderas, den Roma, den Manouches. Gewiss fehlten Gunde die alten Feste ebenso wie ihr. Und auch die Menschen ihres Volkes. Es war Monate her, seit sie das letzte Mal das Lachen der Kinder aus ihrem Stamm gehört hatte. Monate, die sie aus ihrem Gedächtnis gelöscht hatte. Aber hatte sie das tatsächlich? Ein Schatten legte sich auf das ovale Gesicht. „Auf einer der Karten hab ich gesehen, wo Irland liegt.“ Sie sah auf und blickte in Gundes weiche Züge. „Das ist verdammt weit weg.“
„Ja“, murmelte die andere. „Verdammt weit.“ Es klang nicht, als plane sie in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückzukehren.

Während Juana auf die Nachgeburt wartete, warf sie noch einmal einen prüfenden Blick ringsum. Hatte sie an alles gedacht? Gundes Mann Erik hatte Recht gehabt, auf Tagomago gab es wirklich nicht viel. So hatte sie eines Tages das kleine Eiland vor Ibizas östlicher Küste verlassen und in Ibiza-Stadt feinen Bindfaden, Rotkali und Zimmettinktur besorgt und auf dem Gut nebenan nach Wermut, Brennnessel und Weinraute gesucht. Rosa, die Gutsverwalterin auf Ibiza, hatte sogar frische Schafgarbenblätter gefunden und einer der Pferdeknechte war angewiesen worden, Fallen für Murmeltiere aufzustellen, um ihr Schmalz zu gewinnen. Neben den Kleidern, die sie bei ihrer Rettung am Leib getragen hatte, war ihr nur der Beutel mit den kleinen, schwarzvioletten Knollen des Mutterkorns geblieben, den sie zusammen mit ihrem Amulett am Lederband um den Hals getragen hatte. Das Gift war das wichtigste Mittel gegen eine starke Blutung. Eigentlich, dachte sie und Beklommenheit stieg in ihr hoch, war es für sie bestimmt gewesen...
Alles war vorbereitet und lag griffbereit in ihrer Nähe: Auf einem kleinen Ofen köchelte Wasser in einem Topf und in einem anderen war ein Sud aus Ingwer, Nelke, Zimt und Verbenenkraut angesetzt, dessen würzig-exotischer Duft das Schlafgemach erfüllte. Und in einem Mörser stand das zerstoßene Mutterkorn bereit. Zunächst aber schob Juana der Irin ein frisches Blatt der Weinraute zwischen die Zähne. „Nur zur Vorsicht“, erklärte sie. „Du musst es gut kauen.“
Gundes freundliches Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. „Die vorige Hebamme“, ihre Stimme war voller Protest, „schwor auf Bernstein und Blutstein, und zwar in die Hand gedrückt!“
„Ich weiß“, sagte Juana, „aber es hat ja auch nicht gewirkt, oder?“ Sie sah auf. Die Blätter waren widerlich krautig, aber sie halfen wirksamer gegen Blutungen als die Steine oder gar der Aderlass, den die christlichen Ärzte so gern empfahlen. Gunde gehorchte und kaute tapfer. Sie saß immer noch zwischen den beiden Stühlen, zusammengesunken und vornüber gebeugt.
Behutsam und doch bestimmt tasteten Juanas Hände über den schwammigen Bauch. Die Gebärmutter stand hoch, zu hoch. Aber noch war die Nachgeburt nicht abgegangen, noch musste sie warten. Wie lange würde es noch dauern? Schon spürte sie, wie sich ihre Gelassenheit verflüchtigte. Verdammt! Entschlossen wandte sie sich zu dem Topf und reichte Gunde einen Becher von dem aromatischen Sud. Nur nicht die Nerven verlieren, sagte sie sich, noch blutete die Frau ja nicht. Dennoch hatte sie das ungute Gefühl, dass es auch diesmal wieder dazu kommen würde, vielleicht noch stärker als das letzte Mal. Sie dachte zurück an ihre Mutter. Hilflos hatte sie damals zusehen müssen, wie sie nach der Geburt der kleinen Schwester in ihren Armen verblutet war. Devlam! Schon spürte sie, wie ihr die Kleider am Körper klebten. 
Beherzt griff sie in Gundes schwabbeligen Leib, massierte dort, wo sie die Gebärmutter vermutete und als sie meinte, ein Zeichen an der Nabelschnur zu sehen, befahl sie Gunde zu pressen. Dunkles Blut sickerte aus der Vagina und mischte sich mit dem hellroten Blut aus dem tiefen Riss am Damm. Doch der beunruhigte sie nicht. Den Riss würde sie später versorgen - später, wenn die Blutung stand.
Als die Nachgeburt sich löste, nabelte sie den kräftig zappelnden Jungen ab, wickelte ihn straff in ein Tuch und sprang mit dem Bündel im Arm auf die Beine.
„He!“, zischte Gunde. „Wo willst du mit ihm hin?“
„Er ist jetzt bei Erik besser aufgehoben. Du weißt...“ Juana nickte zu Gundes Schoß.
„Das mag schon sein. Aber ich muss ihn erst taufen. Gib ihn mir!“
„Wie?“ Juana starrte sie fassungslos an. Nur zögerlich gab sie das Kind aus der Hand. „Gunde!“
„Ja, ja“, raunte die Irin plötzlich ganz weich, während sie das Kind auf ihre Knie legte, es auswickelte und mit Milch aus ihren Brüsten taufte.
„...und ich gebe dir den Namen Myrrdin“, hörte Juana sie leise murmeln. Langsam wiederholte sie den fremden Namen.
Gunde sah auf. „Man kann auch Merlin sagen. Das bedeutet eigentlich kleiner Falke - kleiner Falke für die Frauenjagd. Lukas' Seelenname ist Cuchulain. Cuchulain war ein tapferer Krieger...“
“Gut”, meinte Juana und schnappte sich den Jungen. Bevor sie den Raum verließ, wandte sie sich noch einmal um und schüttelte schelmisch tadelnd den Kopf. „Das war jetzt keine wirklich christliche Taufe, Gunde.“
Die Irin lächelte leise. Offensichtlich gab es für sie noch mehr zwischen Himmel und Erde, als es die katholische Kirche predigte.     

Im angrenzenden Raum saßen Erik und der Marqués beim Würfelspiel. Der Umgang der beiden Freunde war mit den Jahren immer wortkarger geworden und beschränkte sich gelegentlich nur noch auf einzelne Gesten. Im Moment erinnerte ihr Anblick an Spieler, die tagein tagaus beim selben Spiel hockten und nach Regeln spielten, die nur sie beide kannten. Ab und zu kreuzten sich ihre Blicke in  stillem Einverständnis, dann griffen sie zur Karaffe mit dem St. Emilion und schenkten sich nach. Nicht, dass dieser sechste August, an dem Nicolas seinen dreiunddreißigsten Geburtstag feierte, irgendeine Bedeutung für ihn gehabt hätte. Dennoch konnte nichts darüber hinweg täuschen, dass dies kein gewöhnliches Würfelspiel war. Die Situation war auch völlig anders als damals, bei Elviras Niederkunft. Diesmal lag nicht seine Schwägerin, sondern Gunde im Zimmer nebenan in den Wehen, und wenn Erik auch ständig mit seiner Frau in die Wolle geriet, so blieb sie doch das Wertvollste, was er besaß.
Von Zeit zu Zeit hatte der Ire Richtung Tür gehorcht, seinen mächtigen Lockenkopf geschüttelt und wieder zu den Würfeln gegriffen. Seit er jedoch das laute Stöhnen und gleich darauf das Greinen des Neugeborenen hinter der eichenen Tür vernommen hatte, war er wie ausgewechselt. Seine wasserblauen Augen lachten, obwohl er wusste, dass die größte Gefahr noch bevorstand.
Endlich öffnete sich die Tür und Juana schlüpfte mit dem Kind im Arm heraus. Erik sprang auf. Zögerlich tapste er auf die beiden zu, seine Stirn fragend gerunzelt. In Nicolas' Gesicht trat ein ähnlicher Ausdruck.  
„Ein Junge!“, strahlte Juana und öffnete das Tuch. „Du hast einen strammen Jungen bekommen.“ Sie streckte Erik das wimmernde Bündel entgegen. In seinen riesigen Händen wirkte das Kind zerbrechlich und klein.
Der sonst stets gefasste Hüne konnte nun kaum an sich halten und überließ sich ganz der Flut aus Freude und Stolz.
Schade, dass Gunde ihn jetzt nicht sehen konnte, dachte Juana. Verstohlen blickte sie zum Marqués.
Dieser betrachtete Vater und Sohn. Den Freund so verletzlich zu sehen, hatte etwas Berührendes an sich. Leise näherte er sich. „Das hast du wieder prächtig hinbekommen, mon ami“, schmunzelte er, auf Samuels niedliche, aber unübersehbar männliche Attribute nickend, die das Tuch freigab. Anerkennend klopfte er dem Freund auf die Schulter.
Juana beobachtete die beiden unter halb gesenkten Lidern. Der Ire war nur wenig größer als der Kapitän, wirkte aber schon aufgrund seiner lockigen Löwenmähne weitaus hünenhafter. Mit seinem massigen Brustumfang hätte er einen Brückenpfeiler verdunkeln können. Die ungeachtet seiner Bräune helle Haut und das Rotblond seiner Haarpracht standen im krassen Gegensatz zur dunklen Erscheinung des anderen.
Erik grinste. „Hat auch genug von dem Bingelkraut gekaut, die Gute.“
„Wie?“
„Na, lass dir von der Fachfrau erklären, was es damit auf sich hat, Partner. Das Zeug wächst übrigens drüben auf dem Gut. Ist noch jede Menge davon da...“ Verschwörerisch rollte er die Augen und deutete auf Juana.
Diese wandte sich, den Iren mit Nichtachtung strafend, Richtung Tür. Der Marqués hob eine scharf geschwungene dunkle Braue und beschränkte sich für den Moment darauf, aristokratisch überlegen zu schauen.

 

 

Unter dem Jademond

1.
Die Rothaarige war zum Anbeißen. Wenn sie sich bückte,
in ihrem engen, knielangen Rock, sah das unheimlich sexy
aus. Wie gerade jetzt. Sie bemühte sich um Brookes Nachbarn
zur Linken, einen blassen Spießer, und streckte Brooke
dabei den knackigen kleinen Hintern in Höhe der Augen
entgegen. In Höhe sämtlicher Sinnesorgane. Wenn sie noch
einen halben Schritt zurückwich, würden sie einander auf erfreuliche
Weise näherkommen. Aber vermutlich befand sich
Brooke ohnehin schon im Dunstkreis ihrer Pheromone. Das
konnte in Flugzeuggängen durchaus vorkommen, auch first
class bei British Airways. Menschen mit Berührungsängsten
sollten definitiv ein anderes Transportmittel wählen. Einen
Fischkutter etwa, dann würde sich das Problem von allein
erledigen.
Es wurde eng. Richtig eng.
Dann rauschte die Rothaarige wieder ab. Nun ja, der
blasse Typ, ein vom Leben besonders Enttäuschter, dessen
Brille mit Goldrand nicht einmal verrutscht war, hatte es
bestimmt nötiger als sie. Ihr selber wären die knackigen Pobacken
eines Kerls ohnehin lieber, seufzte Brooke und widmete
sich wieder ihren Unterlagen.
„Liu Hannigan Li. Mutter Engländerin, alte Kolonialfamilie,
Vater Hongkongchinese“, las sie. Das klang nach verstaubter
britischer Empire-Romantik, nach träge rotierenden Deckenventilatoren
in der schwülen, Gin geschwängerten Luft
abgedunkelter Räume, nach vorbeiknatternden schwarzen
Taxis und weiß gekleideten Männern mit langen Zigarren.
Brooke schloss die Augen und ließ das Blatt sinken.
„Haben Sie noch einen Wunsch, Miss Gardner?“
Das Lächeln der rothaarigen Stewardess war professionell,
aber nicht ehrlich. Und so würde es wohl auch in den
kommenden Wochen und Monaten sein, im Land des Lächelns.
Auf beiden Seiten. Dabei hasste sie Heuchelei. Genau
genommen Falschheit und Feigheit. Und dennoch. Sie
hatte den Auftrag angenommen. Sie würde Liu Hannigan Li
bespitzeln.
Nickend bedeutete sie der Stewardess, dass sie das Speisetablett
abräumen könne. Immerhin first class. Es hätte
schlimmer kommen können.
Wie jenseits der Trennwand etwa. Die graue Wand separierte
Welten. Dahinter waren in Sardinendosenmanier neun
Sitze in eine Reihe gepresst – ihr eigener Sitz dagegen, ausladend
wie ein Fauteuil, war einer von lediglich vieren.
Im vollen Bewusstsein dieses räumlichen Luxus machte
sie es sich gemütlich und warf einen erneuten Blick in die
Unterlagen. Jane hatte ihr die wichtigsten Daten über Hongkong,
den dortigen Ableger ihrer Bank, den Kontaktmann
William Cohen sowie den Geschäftsführer zusammengestellt.
Unregelmäßigkeiten bei der Wertpapierabwicklung
waren ihr einziger Anhaltspunkt. In den wenigen Tagen vor
ihrer hektischen Abreise – die Blumen unterzubringen, war
kein Problem gewesen, aber ihrer launischen Katze wollte
sich niemand annehmen – hatte sie keine Zeit gefunden, sich
mit allen Einzelheiten des Falls vertraut zu machen. Hongkong.
Allein der Name klang verlockend. Nein, nicht verlockend,
sondern abenteuerlich. Das hier war keine nächtliche
Bootsfahrt auf dem Loch Ness, kein Surfen um Mitternacht
im Atlantik. Diese Reise versprach Erlebnisse einer anderen
Größenordnung. Woher die plötzliche Abenteuerlust kam,
konnte sie sich nicht erklären. Nie wäre ihr bis dahin in den
Sinn gekommen, die Geschäfte eines Bankdirektors auszuspionieren.
Noch dazu in Fernost!
China. Seufzend steckte sie sich eine goldbraune Locke
hinters Ohr. Gestern hatte sie sich beim Friseur noch
zwei Stunden lang für ihre goldenen Strähnchen quälen lassen
… Das Land des Lächelns, wenn auch Hongkong eine
Welt für sich war: schnell, laut und überfüllt. Gut, sie lebte
in London, einer Metropole am Puls der Zeit. Darüber hinaus
war sie, abgesehen von Urlauben in Frankreich und
Spanien, noch nicht großartig herumgekommen. Jedenfalls
nicht nach Asien. Wie gut, dass jeder dort Englisch sprach.
„‚Hongkong‘“, las sie und gähnte, „bezeichnet die Sonderverwaltungszone
an der Südküste der Volksrepublik China
und bedeutet ‚Duftender Hafen‘.“
Die gute Jane. Sie hätte sie gerne mitgenommen.
Ihr Blick streifte ihre Armbanduhr. Noch neun lange
Stunden, bis sie auf dem neuen Flughafen „Chek Lap Kok“
landen würden! Langsam sollte sie ihre Uhr vorstellen, Hongkong
lag in der Zeitzone UTC+8, das hatte Jane am Rand
mit Rotstift vermerkt. Demnach war es dort noch nicht einmal
Mitternacht. Dennoch. Sie sollte versuchen zu schlafen,
denn der Flieger landete frühmorgens, und sie hatte einen
anstrengenden Tag vor sich. Sie sah sich um. Erst wenige Passagiere
hatten es sich auf den geräumigen Fauteuils bequem

gemacht, die meisten lasen oder sahen fern. Jetzt hätte sie
sich gerne die Füße vertreten, ein Fenster ihres netten Zweizimmerapartments
geöffnet und ihren Blick über die alten
Dächer der Prince Jacob Street schweifen lassen. Stattdessen
streckte sie die Beine von sich, rollte die Schultern und ließ
den Kopf kreisen. Gähnend suchte sie sich eine gemütlichere
Position und nahm dann Janes Informationen wieder zur
Hand. Vielleicht half ein Tee. Ja, ein Tee wäre jetzt fein.
Zwei Sitzreihen hinter ihr kümmerten sich die beiden
Flugbegleiterinnen hingebungsvoll um zwei Manager in
Armani-Montur, was diese in ihrem gockelhaften Verhalten
noch zu bestärken schien. Offensichtlich waren sie die pflegeintensivsten
Fluggäste, da die vielversprechend lächelnde
Rothaarige die meiste Zeit mit ihnen beschäftigt war. Brooke
reckte sich und machte sich mit einem Hüsteln bemerkbar.
Die beiden Damen aber blieben demgegenüber erstaunlich
unbeeindruckt. Manchmal kam man ja mit Schmeicheleien
weiter. Hier nicht. Erst als sie ein übergeschlagenes Bein in
provozierender Weise in den Gang pendeln ließ, just als die
Rothaarige an ihr vorbeieilen wollte, konnte sie deren Aufmerksamkeit
lange genug fesseln, um den Tee zu ordern.
Mit einem Lächeln wurde ihr ein „Oolong“ serviert, vermutlich
gedacht als stilechte Einstimmung auf das Reich
der Mitte. Brooke vertiefte sich wieder in ihre Unterlagen.
Das an der Mündung des Perlflusses auf einer Halbinsel und
über zweihundert Inseln verstreut gelegene Territorium war
bis vor sieben Jahren britische Kronkolonie gewesen und
vertragsgemäß am 1. Juli 1997 an China zurückgegeben worden
… Brooke blätterte weiter bis zu dem etwas unscharfen
Schwarz-Weiß-Foto des Geschäftsführers. Darunter stand:
„Oliver Liu Hannigan Li“, und daneben, in fetten Lettern:
„hochintelligent, ungeheures Charisma, höchst gefährlich“.
Brooke lächelte. Gefährlich sah er auf dem Foto nicht aus.
Aber exotisch. Obwohl … da war etwas in den dunklen, von
geraden Brauen beschatteten, leicht asiatisch geschnittenen
Augen und um den breiten vollen Mund. Etwas Exzentrisches,
das ihm Charakter verlieh. Bilder diverser Eroberer
kamen ihr in den Sinn, aus dem antiken Griechenland oder
dem alten Rom, sie konnte es nicht sagen. Jedenfalls hatte
dort jener leichte Hauch von Wahn so manchem Kandidaten
zum Sieg verholfen … Was war los, träumte sie? Hannigan
war doch nur ein Banker. Und es war noch nicht einmal bewiesen,
dass er in die eigene Tasche wirtschaftete. Schließlich
sollte sie genau das ja erst herausfinden.
Ansonsten gab es über den Geschäftsführer nur spärliche
Informationen. Neununddreißig Jahre alt, Erlangung
des „Master of Laws“ an der „University of Cambridge“ in
London, mit der Spezialisierung „Internationales Bankenund
Finanzrecht“, dann ein Volkswirtschaftsstudium an der
„Chinese University of Hong Kong“.
Sie selbst hatte vor acht Jahren ihren Master im Finanzwesen
an der „London School of Economics and Political
Science“ absolviert. Ein exzellentes Abgangszeugnis sowie
der glückliche Zufall eines plötzlichen Auslandsaufenthaltes
eines Kollegen hatten sie wenig später zur „British Trade
Bank“ geführt. Nun allerdings bewarb sie sich für die ausgeschriebene
Stelle einer Buchhalterin in Hannigans Bank, der
Tochter der „BTB“-Zentrale in London, für die sie zwar als

erfolgreiche Finanzexpertin überqualifiziert war, durch die
sie aber Einblick in die Bilanzen erhalten sollte – sofern es
ihr gelang, in die Abteilungen „Wertpapierverwaltung“, „Private
Banking“ oder „Innenrevision“ vorzudringen. Sorgfältig
gefälschte Zeugnisse anderer Banken hatten sie wärmstens
empfohlen und eine persönliche Vorsprache ermöglicht.
In wenigen Stunden, um zwölf Uhr mittags, würde sie ihm,
Hannigan, gegenüberstehen.
Brooke ließ das Blatt sinken und sah sich nach einer der
Stewardessen um. Die Rothaarige saß vor dem Eingang zu
ihrer Kabine. Das Interesse der Armani-Kleiderständer an
weiteren Nettigkeiten war inzwischen erloschen, und in der
Kabine hatte sich eine allgemeine Müdigkeit breitgemacht –
der auch die beiden Hübschen entgegen den Vorschriften
und, wie sie meinten, unbemerkt nachgaben. Offensichtlich
schob die Rothaarige die erste Wache. Ihrem teilnahmslosen
Gesicht nach zu urteilen, war die Frau entweder noch dümmer,
als Brooke gedacht hatte, oder sie schlief mit offenen
Augen. Möglicherweise erlernte man das in diesem Beruf
zwangsläufig. Als Brooke läutete, kam die Kollegin der Rothaarigen
und holte das Teegeschirr ab. Brooke blickte in gerötete
Augen und hätte sich beinahe für die Ruhestörung
entschuldigt. Entschlossen packte sie ihre Unterlagen in
ihre Bordtasche und machte es sich unter einer flauschigen
Decke bequem. Bevor sie wegdämmerte, sah sie im Geiste
Jimmy winkend hinter der Absperrung der Gepäckkontrolle
stehen. Er hatte sie nach Heathrow gefahren, denn sie
waren auch nach ihrer Trennung noch Freunde geblieben,
obwohl oder gerade weil ihre Beziehung nur so kurz gedauert
hatte. Jimmy. Zu wenig Sex, obwohl er herrlich gebaut
war. Dafür durchdiskutierte Nächte, Greenpeace-Nachmittage
und Selbstfindungs-Wochenenden zuhauf. Nichts, was
sie wirklich vermisste.

 

...

 

Als sie aus dem Bad kam, trat er lächelnd auf sie zu.
„Mach du es. Ich möchte dir dabei zusehen.“ Er nahm sie an
der Hand und führte sie in ein angrenzendes, überraschend
großes Zimmer.
Orangerot leuchtende Trockengestecke von entblätterten
blühenden Physalisruten in tönernen Vasen belebten den

Raum und flankierten ein in der Mitte stehendes schlichtes
Einzelbett. Nicht ganz die schmale Garnisonsliege, aber entschieden
zölibatär. Doch mit einem Handgriff klappte er die
Liege auseinander und verwandelte sie in ein komfortables
niederes Doppelbett. Dann warf er sich in erwartungsvoller
Pose auf die Matratze. Unter dem Kimono war er eindeutig
nackt.
„Mach es langsam, Brooke. Bitte.“ Seine Stimme vibrierte
vor Erregung.
Ihre Hände zitterten leicht, als sie ihren Gürtel öffnete.
Vom Champagner animiert, warf sie ihn lässig zur Seite. Die
Bluse hatte mehrere Knöpfe, die sie langsam, einen nach dem
anderen öffnete, während sie ihre Mähne lasziv hochhob
und sich mit der Zunge sinnlich über die Lippen fuhr. Die
Hotelszene in dem Film „True Lies“ kam ihr in den Sinn, sie
hatte auch ungefähr dieselbe Figur wie Jamie Lee Curtis. Na
ja, mit etwas weniger Busen vielleicht.
Es fiel die Bluse, dann der Rock. Ein Dutzend gelber Kerzen
spiegelte sich in Lius schwarzer Iris, die vor Erwartung
glänzte. Für einen Moment schloss er die Augen und stöhnte
leise. Brooke drehte ihm den Rücken zu, wiegte sich leicht
in den Hüften und öffnete den schwarzen BH. Achtlos warf
sie ihn zu Boden und wirbelte herum. Die Spitzen ihrer dunkelgoldenen
Haarsträhnen bedeckten die Brustwarzen. Sie
trug nur noch den schwarzen Tanga.
„Halt!“, raunte Liu matt und sprang auf. „Mach es dir
nun bequem.“ Dafür, dass sie keine Übung im Strippen hatte,
hatte sie es ganz gut hinbekommen. Zu gut. Die Qualen, die
ihm sein harter Schwanz bereitete, waren kaum noch zu ertragen.
Allein ihre langen, göttlichen Beine und die beiden
festen Rundungen entfesselten den unbändigen Wunsch, die
Massage zu überspringen und auf der Stelle über sie herzufallen
Er breitete ein samtenes Badetuch mit floralem Muster
über das Bett und griff nach dem Öl.
Träge und vom Champagner leicht beschwipst, überließ
sie ihren Körper seinen Händen, die sie zunächst massierten,
sie kneteten, strafften und drückten, um dann ganz
allmählich und beinahe unmerklich in eine andere Spielart
überzugehen. Bald fanden seine Finger erogene Zonen, die
sie selbst noch nicht kannte, zwischen Fingern und Zehen,
in den Kniekehlen und an den Hinterseiten der Schenkel.
Wie zufällig streiften sie den feuchten Stoff ihres Tangas,
dort, wo sich all ihre Lust konzentrierte. Brooke spreizte
die Beine etwas weiter. Das warme, leicht parfümierte Öl
kroch in jede Ritze ihres Körpers, verwandelte ihre Haut
in eine duftende Wiese, auf der seine Finger spielten. Dann
hockte er sich zwischen ihre Schenkel, und massierte ihren
Rücken. Immer wieder strich er von der zarten Haut unterhalb
der Achselhöhlen abwärts über die äußeren Rundungen
ihrer Brüste. Brooke stöhnte auf. Sein hartes Glied berührte
durch den dünnen Stoff immer öfter ihre Pobacken
und Schenkel. Flüchtig und doch gebieterisch. Irgendwann
beugte er sich hinab und hauchte an ihr Ohr: „Komm, dreh
dich um.“
Sie drehte sich auf den Rücken. Lius Oberkörper war
nackt, sein Kimono war über die Schultern gerutscht und
wurde nur noch vom Gürtel zusammengehalten. Die breite
Brust war nur spärlich behaart, glatt und fest. Während er

sich neben ihr kniete, betrachtete sie das geschmeidige Spiel
seiner Muskeln. Konzentriert bearbeitete er ihren Unterbauch
mit verschiedenen Yin-Yang-Grifftechniken, wohl
um das im Beckenbereich angesiedelte Sakral-Chakra und
das darunterliegende Wurzel-Chakra anzuregen. So weit
kannte sie sich aus. Jede seiner Berührungen war irritierend
für sie, es war keine Massage, wie sie sie kannte. Die Berührungen
um den Nabel waren besonders erotisierend. Stöhnend
schloss sie die Augen. Die anschließende Massage ihrer
Brüste füllte ihre Adern mit Feuer. Kreisend arbeiteten sich
seine geschickten Finger von außen langsam zur Mitte vor,
wobei sie akribisch das weiche Gewebe kneteten, es drückten
und rollten, bis sie schließlich die prallen roten Beeren erreichten
und leicht daran zupften. Dann beugte er sich hinab
und umschloss eine der Knospen mit seinen Lippen. Schauer
liefen Brooke über den Rücken, und Blitze durchzuckten
ihr Becken, konzentrierten sich dort, wo jetzt all ihr Denken
und Fühlen war. Sein Mund wanderte tiefer, seine Zähne
fassten nach dem Tanga und zerrten ihn über ihre Scham.
Sie hob ihr Becken, und seine Finger streiften den feuchten
Stoff über ihre Pobacken.

 

 

 

Die Mondperle

1.
„Er ist tot, Jack.“
„Wer?“, keuchte die Stimme in ihrem Rücken rau.
„Mein Vater.“ Helen ließ das Handy sinken. „Hören wir
auf, jetzt klappt es bei mir sowieso nicht mehr.“
Jack Daniels, wie die gleichnamige Whiskymarke aus Tennessee,
nur weniger anregend und magenerwärmend, hielt
sich ihr Handy ans Ohr. Am anderen Ende der Leitung war
nur noch das ungeduldige Tuten des Besetztzeichens zu hören.
Seufzend legte er auf, warf das Handy aufs Bett und
rollte sich zur Seite. Wenn Helen meinte, sie bekomme keinen
Orgasmus mehr, würde er sich vollkommen umsonst ins
Zeug legen. Als ob ein paar Lustschreie mehr oder weniger
jetzt noch etwas daran ändern könnten. Durch Enthaltsamkeit
würde sie ihren Vater jedenfalls nicht wieder zum Leben
erwecken.
„Willst du darüber reden?“, erkundigte er sich pflichtbewusst
und sah ihr dabei zu, wie sie gedankenverloren ihre
Kleider aufsammelte. Dabei streckte sie ihm ihr Hinterteil
unabsichtlich, aber um nichts weniger verführerisch entgegen.
Wenn sie die schwarze Spitze, die letzte gefallene Bastion
auf dem Bettvorleger, aufhob, würde sie ihm erfreulich
nahe kommen. Ahhh … Schon schwangen Londons außergewöhnlichste
Möpse direkt vor seine Nase. Hoch und spitz
machten sie den Kurven jenes Playmates Konkurrenz, dessen
Poster in seinem Spind im Fernsehsender hing. Hm …
Unterdessen hatte sie sich gebückt und schlüpfte nun in
den schwarzen Spitzenslip, wobei sie ihm den Rücken zuwandte.
Ihre Pobacken, zwei straffe glatte Rundungen am
Ende wohlgeformter langer Beine, in Griffweite vor ihm.

Dazwischen wölbte sich das Himmelreich auf Erden, rosig,
nass und angeschwollen von ihrer hitzigen Vereinigung. Sofort
sah er eine reelle Chance. Wozu aufgeben, schließlich
gab es eine befriedigendere Therapie gegen Kummer, und reden
konnten sie ja auch noch danach. Aufs Höchste erregt,
sprang er aus dem Bett und presste sich von hinten an sie.
Doch obwohl er sie an den Hüften packte, schaffte sie es, in
ihre Jeans zu steigen, sie hochzuziehen und seinen flink dazwischendrängenden
Mitstreiter beiseitezuschieben.
„Danke für dein Mitgefühl“, sagte sie in Bezug auf sein
weniger handgreifliches Angebot von vorhin. Als Jack seine
Hände auf ihre Brüste legte, hielt Helen inne. Anstatt die
Gürtelschnalle ihrer Jeans zu schließen, betrachtete sie seine
langen Finger, die sich langsam zu ihren Knospen vorarbeiteten.
Alles an ihm war lang und wohlgeformt. Ahhh … ihre
Brustwarzen waren ungemein sensibel, warum mussten sie
denn nur so empfindlich sein. Aber eine kurze Flucht, ein
kleiner Rausch, das war vielleicht nicht einmal verkehrt, um
sich abzulenken und die widerstreitenden Gefühle für einen
Moment zu verdrängen. Sie hasste es, von irgendetwas überrollt
zu werden. Jack hatte recht, das hier war im Moment
besser.
Sie stöhnte und seufzte, und dann sagte sie eine ganze
Weile gar nichts mehr.
Ihr Herz schlug immer noch schnell, als sie sich aus seiner
Umarmung befreite. „Sei mir nicht böse, Jack, aber ich
möchte jetzt gern allein sein.“
„Kein Problem“, lächelte Jack. Er hatte abgefeuert, und
auch Helen hatte einen kurzen, heftigen Höhepunkt gehabt.
Kein Sternenflug und nicht wirklich befriedigend, aber an9
gesichts der Umstände mehr, als er erwarten konnte. Wo er
doch zunächst gedacht hatte, es zu versuchen wäre völlig
sinnlos. Was wollte er also mehr? Offensichtlich nahmen die
Gedanken an den Tod ihres Vaters nun ihre ganze Aufmerksamkeit
in Anspruch. Zumindest war das etwas, worauf die
Hübsche nicht vorbereitet war. Große Gefühle ausgeschlossen,
er wusste Bescheid. Helen hatte aus ihrer Abneigung
dem Vater gegenüber nie einen Hehl gemacht. Aber nun warteten
die Haushaltsauflösung und die üblichen Laufereien
auf sie. Gewiss würde die Fahrt über den Styx da drüben mit
großem Pomp inszeniert werden.
Langsam wandte sich Helen um. Auf ihrem Antlitz spiegelte
sich etwas, das Jack berührte. Mitfühlend hauchte er ihr
einen Kuss auf die leuchtend rote Mähne. Der Tod des Alten
war ihr nie und nimmer gleichgültig.
Jack begab sich ins Bad, und Helen schlurfte, ein T-Shirt
überstreifend, in die Küche. Stilmäßig passte nun ein Whisky,
fand sie. Ein Glenkinchie aus den schottischen Lowlands
stand auf der Anrichte. Jetzt ging es darum, die sich plötzlich
auftuende innere Leere zu bekämpfen, und was war dafür
besser geeignet als Whisky. Ihr Vater war der letzte Vertreter
der nun endgültig ausgestorbenen Rasse britischer Kolonialherren
von anno dazumal gewesen, jene Gin- und Whiskytrinker
mit der obligaten Havanna zwischen den Zähnen.
Ganz wie Churchill, mit demselben Charisma, nur dass er
dessen Alter nicht erreicht hatte. Mit dem zehnjährigen honigfarbenen
Malt ließ sie sich auf dem gleichfarbigen Ledersofa
nieder und sank in dicke Rohseidenkissen. Gerade als
sie das Glas an die Lippen setzte, erschien Jack in der Tür.
Ohne ihn zu beachten, schloss Helen die Augen und genoss
den ersten Schluck. Sie spürte, wie der Whisky ihren Magen

erreichte, sich dort ausbreitete, in ihre Eingeweide sickerte
und an ihrem Rücken wieder emporkroch. Es war genau das,
was sie jetzt brauchte.
Stirnrunzelnd beäugte Jack die halbvolle Flasche. „Soll
ich nicht doch noch bleiben?“ Eine psychische Katastrophe
schien sich anzubahnen.
Aus tiefblauen Augen streifte ihn ein unergründlicher
Blick. Sie schüttelte den Kopf und stellte das Glas ab, dann
stützte sie ihr eigenwilliges Kinn auf ihre Rechte und starrte
mit Philosophenmiene ins Leere. Wenn sie für den Rest des
Abends bei diesem Getränk blieb, würde sie wohl bald in
jenes dumpftrübe Brüten versinken, das Betrunkene für Tiefgang
hielten. Auf Zehenspitzen schlich er aus der Wohnung.

 

...

 

Sie war nicht nur heißblütiger, als er vermutet hatte, sie war
Dynamit. In ihrer Spontaneität sprach sie einfach auf alles
an. Goldfischsex musste herrlich mit ihr sein … Nie hätte
er sich vorstellen können, dass ihn eine hellhäutige Rothaarige
derart aus der Fassung bringen konnte! Nun, auch das
würde bald nichts Ungewöhnliches mehr für ihn sein. Sie
würde für ihn schneller ihren Reiz verlieren, als ihm lieb
war. Und dann? Noch war er seinem Ziel keinen Schritt näher
gekommen. Das halsstarrige Töchterchen dachte nicht
daran, bald wieder abzuhauen. Im Gegenteil, jetzt wollte sie
es sich so richtig gemütlich machen. Wollte sich ein Büro einrichten
und sein Sekretariat mitbenutzen. Sich bei seinen Damen,
so von Frau zu Frau, einschmeicheln. Dergestalt seine
Autorität zu untergraben, war ein gemeiner Trick. Vielleicht
sollte er mit seinem Charme zurückhaltender sein. Oder
sollte er fordernder auftreten? Hm … vielleicht könnte er
sie rasieren. Ahhh, allein der Gedanke daran brachte seinen
Soldaten in Stellung.
Arun sah auf und beobachtete Helen, wie sie voll Elan
zur Tür hereinmarschierte und mit schwingenden Hüften
auf ihn zukam, um dann vor seinem Schreibtisch stehen zu
bleiben. Sie schien unschlüssig, aber nicht unsicher. Ihre vollen
Lippen waren rosig und feucht.
„Bhenchod!“, fluchte Arun. Er sprang auf und stürmte
um seinen Schreibtisch herum. Unwillkürlich wich Helen zurück.
Würde er sie nun jedesmal anspringen, sobald sie sein
Büro betrat? „Deine Sekretärin …“, gab sie etwas besorgt zu
bedenken und wich ihm weiter Richtung Tür aus.
Bevor sie diese erreichte, packte er sie an den Schultern.
„Cheeni“, raunte er an ihr Ohr, „ich musste soeben an all das
denken, was wir miteinander gemacht haben …“

Sein warmer Atem hauchte ihr ins Gesicht. „Das werden
wir hier wohl kaum wiederholen können“, flüsterte sie, genauso
heiser in Erinnerung an die wunderbaren Dinge.
„Nein“, entgegnete er rau und fuhr dann gedehnt fort:
„Alles nicht …“
Dann verschmolzen ihre Lippen. Helens Knie wurden
weich und sie suchte nach Halt. Die harte Ausbuchtung in
seinem Schritt rieb über ihr Schambein und wurde nur noch
gezügelt vom festen Stoff seiner Hose. Unmissverständlich
drängte er sie zur Ledergarnitur hinüber.
„Arun!“, protestierte sie schwach, während sie schon an
seiner Hose nestelte und seine schwellende Männlichkeit ans
Tageslicht holte. Wenn sie ihn schnell entschärfte, konnte sie
vielleicht das Schlimmste verhindern. Und das bestand für
sie nicht darin, dass Miss Saigal unvermittelt hereinstürmen
könnte, sondern darin, dass dieser der Anblick gar nichts ausmachen
würde.