Die Lotusblume

 

1.

 

Langsam rollte der Wagen durch die saftigen Zuckerrohrfelder zum nächsten Dorf. Am Boden spielende Kinder reckten gaffend die Hälse und dunkelhäutige Fellachen hockten im Schatten der flachen Häuser und beobachteten das herannahende Fahrzeug mit verstohlenen Blicken. Die übrigen Bewohner suchten in ihren Häusern Schutz vor der immer noch gleißenden Sonne.

Nach Dutzenden Stopps hielt das Taxi bei der angegebenen Adresse.  Das zumindest schloss die Frau im Fond des Wagens aus der Mimik des etwas zu kurz geratenen schnautzbärtigen Fahrers, der sich mit einem so stolzen Grinsen zu ihr umdrehte, als hätte er sie soeben durch seine eigenen Ländereien geführt. Aus seinen glutvollen Augen leuchtete wieder dieser lüsterne Blick, mit dem er sie schon die ganze Fahrt über unverhohlen im Rückspiegel beobachtet hatte. Vermutlich hatte er sich die gesamte Strecke über auf dem Sitz gewetzt, hatte sich sein beschnittener Schwanz schmerzhaft  zwischen den feuchten Schenkeln und dem Lenkrad gerieben. Elena schüttelte sich. Die Vorstellung, die Fahrt hätte irgendwo zwischen den Zuckerrohrfeldern enden können,  bescherte ihr noch im nachhinein eine Gänsehaut. Noch bevor ihr der Mann mit geschwellter Brust den Wagenschlag öffnen konnte, war sie ausgestiegen.

Die Sonne warf kurze, scharfe Schatten auf die sandige Straße, kein Lüftchen regte sich. Die Erde ringsum war bedeckt von einer dicken Staubschicht, und sie stellte sich vor, dass dieser Staub schon immer hier gelegen hatte, und im Laufe der Zeit von Tausenden von Füßen niedergetreten worden war. Nackten braunen Füßen, von Steinen und aufgerissen und zerschunden vom Schleppen der Lasten.

Elena trat in den kühlen Schatten eines flachen, weiß gekalkten Hauses. Über dem Eingang signalisierte die ägyptische Flagge mit ihren nun lustlos herabhängenden rot-weiß-schwarzen Streifen, dass es sich bei dem Schuppen um ein öffentliches Gebäude handelte. Selbst der goldene Saladin-Adler im Mittelstreifen - fahnenkundlich gesehen ein Relikt aus der arabischen Befreiungsflagge - versteckte sich vor der Hitze.